Indonesien: härteres Vorgehen gehen Drogen
Indonesiens Polizisten haben den Finger am Abzug
von Nina Belz, Manfred Rist 16.8.2017, 13:44 Uhr
Der indonesische Präsident fordert ein härteres Vorgehen gehen Drogenhändler. Dabei rät er zu unorthodoxen Methoden. Sein Polizeichef sieht sein philippinisches Pendant als Vorbild: im Zweifel erschiessen.
Nun will Präsident Joko Widodo nicht nur die Justiz, sondern auch die Polizei im Kampf gegen den Drogenmissbrauch stärker einspannen. Bereits Ende Juli sagte er, da das Land sich in einer «Drogennotsituation» befinde, sei es nötig, mit Drogenhändlern, besonders mit Ausländern, strikt zu sein. Die Polizei forderte er dazu auf, Dealer notfalls zu erschiessen. Wenige Tage vor Widodos «Schiessbefehl» war ein Taiwaner in einer Konfrontation mit der Polizei getötet worden. Offiziell hiess es, er habe Widerstand gegen die Beamten geleistet. Der Mann stand unter Verdacht, versucht zu haben, zusammen mit drei Landsleuten rund eine Tonne Crystal Meth nach Indonesien zu bringen. Es war der grösste Drogenfund, den die Polizei je gemacht hatte.
Allerdings kann nicht nur die Aussage des Präsidenten dazu geführt haben, dass sich der Umgang der indonesischen Polizei mit Drogenhändlern verhärtet hat. Auch der Polizeichef des Landes, Tito Karnavian, wurde mit den Worten zitiert, dass das Erschiessen der Verdächtigen ein effizientes Mittel gegen Drogenkriminalität sei. Laut einem Bericht von Amnesty International sind in Indonesien in diesem Jahr bereits 60 mutmassliche Drogenhändler von der Polizei getötet worden – mehr als dreimal so viele wie im ganzen Jahr 2016. Die Beamten würden sich dabei jeweils auf Notwehr berufen, heisst es.
Der Generalsekretär von Amnesty in Indonesien, Usman Hamid, sprach von einer «schockierenden Eskalation». Die Behörden müssten sich daran erinnern, dass jeder – auch Leute, denen Drogenvergehen zur Last gelegt würden – ein Recht auf Leben habe, das zu allen Zeiten respektiert werden müsse. Die Menschenrechtsorganisation warnte davor, dass sich die indonesischen Behörden ein Beispiel an den Philippinen nähmen – denn die Zustände auf den Philippinen könnten kein Vorbild sein.
Rechtlose Zustände
Tatsächlich erinnern die Worte des indonesischen Präsidenten stark an jene seines Amtskollegen auf den Philippinen. Rodrigo Duterte hat seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr Drogenkonsumenten wie Händlern den Kampf angesagt. Seither sind Tausende von Verdächtigen von der Polizei, aber auch von Gangs und Auftragsmördern getötet worden – auch wenn sie nur unter Verdacht standen, etwas mit Drogen zu tun zu haben. Offizielle Stellen sprachen Ende Juli von rund 3500 toten «Drogenpersönlichkeiten»; es ist jedoch anzunehmen, dass die Dunkelziffer angesichts der bisweilen rechtlosen Zustände, die nachts in den Slums herrschen, viel höher liegt. Aktivisten gehen zum Teil von mindestens doppelt so vielen Opfern aus.
«Drogenkrieg» auf den Philippinen
Schüsse aus der Dunkelheit
von Manfred Rist, Manila 28.10.2016, 10:00
In einer Serie von Razzien in der Nacht von Montag auf Dienstag wurden auf den Philippinen mindestens 32 Personen getötet. Bei dem grossangelegten Polizeieinsatz in der Provinz Bulacan nördlich der Hauptstadt Manila seien 32 Verdächtige getötet und 109 weitere verhaftet worden, teilte ein Polizeisprecher mit. Die Razzia in Bulacan sei Teil einer grossangelegten Aktion der Polizei im Kampf gegen Drogen gewesen, hiess es. Dabei seien auch 21 Waffen und 100 Gramm Shabu beschlagnahmt worden. Das Methamphetamin Shabu ist eine Variante von Crystal Meth, die auf den Philippinen verbreitet ist. Duterte war mit dem Versprechen angetreten, das Land von dem «Drogenproblem» zu befreien. Entsprechend lobte Duterte am Mittwoch den Einsatz seiner Polizei und sagte: «Lasst und jeden Tag weitere 32 töten. Vielleicht können wir die Krankheit dieses Landes lindern.»
Vor allem ärmere Schichten konsumieren Shabu. Die Zahlen zum Drogenkonsum auf den Philippinen sind im weltweiten Vergleich nicht alarmierend hoch. Laut dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) ist der Anteil der 15 bis 64 Jahre alten Filipinos, die Amphetamine konsumieren, im Ländervergleich mit 2,13 Prozent (die Zahl stammt aus dem Jahr 2008) zwar relativ hoch. Australien verzeichnet für das Jahr 2013 allerdings den gleichen Wert. In Indonesien liegt der Anteil der Amphetamin-Konsumenten dagegen mit angeblich 0,09 Prozent bei den 10 bis 60-Jährigen deutlich tiefer.
Konzentration auf Jakarta und Bali
Von einem «Drogennotstand» zu sprechen, scheint angesichts dieser Zahlen etwas übertrieben. In Indonesien gibt es wohl ein Drogenproblem; es konzentriert sich auf die Metropole Jakarta und die Ferieninsel Bali. Offizielle Statistiken sprechen von 1,2 Millionen Menschen mit regelmässigem Drogenkonsum. Das betrifft Ecstasy, Heroin, Marihuana und eben Amphetamine. Aber angesichts der 250 Millionen Einwohner hält sich der Prozentsatz in Grenzen. In Thailand, mit einer Bevölkerung von 68 Millionen, zählt man 2,7 Millionen Drogenkonsumenten.
Indonesien gehört zu den 33 Ländern, die von der Todesstrafe Gebrauch machen. Ein entsprechendes Moratorium hob Jakarta 2013 auf – angeblich wegen zunehmender Verstösse gegen das Gesetz. Seither sind 18 Personen hingerichtet worden, darunter 15 Ausländer. Nach über zehnjähriger Haft sind unter anderem zwei Mitglieder der «Bali Nine» getötet worden, einer neun Personen zählenden Gruppe, die 2005 rund 8,3 Kilogramm Heroin nach Bali zu schmuggeln versucht hatte.
Der Chef der indonesischen Anti-Drogen-Einheit Budi Waseso sagte gegenüber australischen Medien, dass sich der Markt, den es zuvor auf den Philippinen gegeben habe, wegen Dutertes Anti-Drogen-Krieg nach Indonesien verlagere. Das klingt durchaus plausibel. Naheliegend ist indessen auch, dass sich Indonesiens Präsident – nach dem Vorbild Duterte – rechtzeitig vor den Wahlen in zwei Jahren das Label des starken Manns zulegen will. Das Risiko, dass diese Masche sonst von seinem feisten Herausforderer, dem früheren General Prabowo Subianto, ergriffen wird, ist gross.
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