Fotos indonesischer Ureinwohner: Belagert von der Moderne

Von Martin Scheufens fuer Spiegel Online

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Fotograf Tariq Zaidi<

Sie beschwören Naturgeister und tragen Kleidung aus Rinde: Auf der Insel Siberut bewahren etwa tausend Mentawai noch die Traditionen ihrer Vorfahren. Der Fotograph Tariq Zaidi hält auf seinen Bildern eine Welt fest, die unaufhaltsam verloren geht.

Um eine ganz andere Welt zu finden, musste der Fotograf Tariq Zaidi nach Indonesien reisen, hinein in den Regenwald. Dort, auf der Insel Siberut gut 140 Kilometer vor Sumatra, lebt das indigene Volk der Mentawai-Inseln noch auf traditionelle Weise. Zaidis Fotos zeigen ein Leben, das tief verbunden ist mit der Natur. Doch die Welt der Mentawai ist im Umbruch und ihre Lebensweise in Gefahr.

Die muslimische Gesellschaft Indonesiens nimmt immer mehr Raum auf den Mentawai-Inseln ein. Viele Ureinwohner seien hin und hergerissen zwischen den Kulturen und wüssten nicht mehr, wo sie hingehören, erzählt Mentawai Esmat Wandra Sakulok. Allein schon die Begegnung mit der indonesischen Gesellschaft führe zur Erosion der traditionellen Lebensweise. "Wir enden wie ein Lenkdrache ohne Griff an seinen Schnüren."

Die Mehrheit der Mentawai hat die alten Bräuche bereits aufgegeben. Nur noch etwa tausend der insgesamt etwa 64.000 Ureinwohner auf den Mentawai-Inseln halten an ihnen fest.

Traditionell leben die Mentawai als Jäger und Sammler, halten aber auch Tiere wie Schweine und Hühner und bauen Pflanzen an. Aus der Sagopalme gewinnen sie Stärke, die sie zum Brotbacken verwenden. Kleidung fertigen die Mentawai aus Rinde und sie betreiben einen ausgeprägten Körperkult.

Mit Dornen oder angespitzten Hölzern stechen sie sich großflächige Tattoos in die Haut, wie Zaidis Fotos eindrucksvoll zeigen. Die Aufnahmen sind Teil eines Projekts des australischen Dokumentarfilmers Rob Henry, der seit sieben Jahren bei dem Urvolk lebt und sich für den Erhalt ihres Wissens über die Natur einsetzt.

Mentawai-Dokumentarfilm von Rob Henry (Trailer)

In der Kultur der Mentawai regeln eine Vielzahl von Tabus den Umgang mit der Natur und hindern sie, den Wald auszubeuten. Die Anwesenheit traditioneller Mentawai schützt so den Lebensraum vieler seltener Tierarten. Entscheidend dafür ist ihr Glaube an Naturgeister. Tiere und Pflanzen haben demnach eine Seele. Fangen die Mentawai auf der Jagd einen Affen, ein Wildschwein oder ein Reh, rufen sie die Geister an und bitten um ihren Segen. Erst dann töten sie das Tier.
Zwang zur Weltreligion

Offiziell ist den Mentawai dieser Glaube allerdings verboten. Jeder Indonesier muss sich zu einer der fünf Weltreligionen bekennen: Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus oder Judentum. Die meisten Mentawai sind als Christen eingetragen. Das hat vor allem für die traditionsbewussteren einen Vorteil: Sie dürfen offiziell Schweinefleisch essen. Der Anteil der Muslime nimmt aber zu.

Umsiedlungsprogramme der Regierung tragen dazu bei, dass die Mentawai nach und nach den Kontakt zur Natur verlieren. Seit 1950 gehört die Inselgruppe Mentawai zu Indonesien, einem Staat aus fast 18.000 Inseln und 360 Völkern. Viele Jahrzehnte hat die Regierung Menschen zwischen den Inseln umgesiedelt.

So kamen Siedler aus dem überbevölkerten Java auf die Mentawai-Inseln. Viele Mentawai mussten ihre ursprünglichen Gebiete verlassen. Offiziell möchte die indonesische Regierung die indigenen Völker in die Gesellschaft integrieren. Doch statt Integration führt dies oft zu einem Auflösen der traditionellen Kultur: Die westlich geprägte Lebensweise der Siedler weckt bei vielen Mentawai neue Bedürfnisse.

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